Osterwort 2020

Heraus aus des Grabes Nacht

„Da verließen sie (Maria aus Magdala, Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome) das Grab und flohen; denn Schrecken und Entsetzen hatte sie gepackt“ (Mk 16,8)

Die Perspektive einer Grabeshöhle, wie wir sie auf dem Bild sehen, müssen eigentlich alle gehabt haben, die am Ostertag in das Grab Jesu wieder verlassen haben. Sie wird aber in den Ostererzählungen nur ganz kurz und nicht sehr frohmachend beschrieben. Voll Schrecken und mit vielen Fragen haben die Frauen das Grab Jesu verlassen. Manchmal ist auch vom Glauben die Rede, aber es überwiegt doch selbst bei den Aposteln der Zweifel.

Wer das Foto anschaut, das aus einer Grabeshöhle heraus gemacht worden ist, sieht aber eigentlich etwas sehr Schönes und Frohmachendes. Der Betrachter kommt aus der Dunkelheit und geht ans Tageslicht. Er steigt aus der Tiefe und die Höhe. Was ihn draußen erwartet, kann er nicht genau erkennen. Das ist so, als ob wir nach einer Tunnelfahrt wieder ans Tageslicht kommen und das Tageslicht uns blendet. Der Autofahrer muss dann besonders aufmerksam sein, dass er nicht ein Hindernis übersieht und Schaden verursacht. Die Wirklichkeit im Tageslicht hat sich nicht verändert, aber unsere Augen haben Mühe, diese Wirklichkeit wieder richtig wahrzunehmen. Es liegt an unseren Augen – nicht an der Wirklichkeit.

Das Osterfest will uns wieder die neue Wirklichkeit bewusst machen, die manchmal verborgen liegt und unser Denken nicht ständig prägt. Dass wir durch die Taufe vom Tod erstanden sind, singen wir zwar in den Osterliedern und bekennen es im Glauben, aber wir vergessen es auch schnell in der Hektik des Alltags. Weil es Auferstehung aus dem Dunkel des Todes gibt, können wir an den Gräbern das Halleluja singen. Die trauernden Angehörigen verlassen sich dann darauf, dass die Freunde und Bekannten es laut singen, weil es ihnen im Augenblick des Abschieds von einem lieben Menschen die Stimme verschlagen hat. Aber auch andere ausweglos erscheinende Situationen in der Arbeitswelt, Politik, Umwelt und Kirche können sich durch den Blick aus der Grabeshöhle verändern. Das Gebet und die Feier von Tod und Auferstehung Jesu im Gottesdienst laden zur Veränderung der Perspektive ein. Vielleicht ist das Gebet am Morgen und Abend mühsam und lediglich eine Pflichterfüllung, aber es rahmt den Tag und das Leben ein, das von der Liebe des Auferstandenen umfangen ist. Er wünscht sich für uns von Herzen, dass wir mit ihm aus dem Grab und seiner Dunkelheit auferstehen. Nehmen wir seine ausgestreckte Hand gern an und lassen wir uns führen. Jesus Christus kennt den Weg aus dem Grab und ist ihn gegangen. Er kennt das Licht nach der Dunkelheit und führt uns dorthin, wo alles verklärt wird, d.h. klar, rein und leuchtend froh.

Frohe Ostern und die Erfahrung von Licht am Ende des Tunnels wünsche ich daher von Herzen.

(Weihbischof Dr. Reinhard Hauke, Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für die Seelsorge an den Vertriebenen und Deutschen aus Russland)

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